Vodafone-Beben am DE-CIX: Das Ende des offenen Netzes?
Es ist eine Nachricht, die in der deutschen und europäischen Netz-Community für erhebliches Aufsehen sorgt und das etablierte Gefüge des Internetaustauschs in Frage stellt: Vodafone Deutschland beendet seine Public-Peering-Strategie. Das Unternehmen zieht sich damit de facto aus der offenen Austausch-Architektur der großen, öffentlichen Internetknotenpunkte (IXPs) wie dem DE-CIX in Frankfurt, dem größten der Welt, zurück.
Dieser Schritt, der Branchenmedien zufolge (wie Golem.de Anfang November 2025 berichtete) bereits im Gange ist, ist kein simpler technischer Vorgang, sondern eine tiefgreifende kommerzielle und strategische Neuausrichtung. Vodafone kappt nicht seine Verbindung zum Internet, sondern ändert fundamental, wie und zu welchen Bedingungen andere Netzwerke Daten mit seinen Millionen von Endkunden austauschen dürfen.

Was genau passiert? Der Abschied vom Public Peering
Um die Tragweite dieser Entscheidung zu verstehen, muss man den bisherigen Status quo an Internetknotenpunkten betrachten:
Das bisherige Modell (Public Peering): Große Internetanbieter (ISPs) wie Vodafone, Content-Anbieter (wie Netflix oder kleinere Streamingdienste) und Hunderte andere Netzwerke treffen sich an neutralen Orten, den Internet Exchange Points (IXPs) wie dem DE-CIX. Dort schalten sie ihre Netze über einen zentralen Switch zusammen. Sie praktizieren „Public Peering“ – einen meist kostenlosen (settlement-free) Austausch von Datenverkehr zum gegenseitigen Nutzen. Wer Daten an Vodafone-Kunden schickte, konnte dies direkt und effizient am IXP tun.
Der neue Weg (Outsourcing & Monetarisierung): Vodafone kündigt nun diese öffentlichen Peering-Vereinbarungen. Stattdessen lagert der Konzern diese Anbindungen an einen exklusiven Partner aus: das Berliner Unternehmen Inter.link.
Wer zukünftig Datenverkehr direkt in das Vodafone-Netz einspeisen möchte, muss dies über Inter.link tun. Dieser Dienst wird, im Gegensatz zum bisherigen Public Peering, kostenpflichtig sein.
Wichtig ist die Unterscheidung: Vodafone beendet nicht das Private Peering. Direkte, private Leitungen zu den „Hyperscalern“ – also den absoluten Giganten wie Google, Amazon (AWS) und Microsoft (Azure) – werden weiterhin bestehen und optimiert. Der strategische Rückzug betrifft die „offene Tür“ für Hunderte von mittleren und kleineren Netzwerken am öffentlichen Marktplatz.
Die Strategie: Warum Vodafone diesen Schritt geht
Die Entscheidung von Vodafone ist nicht technisch, sondern primär kommerziell motiviert. Sie folgt einem Trend, den die Deutsche Telekom bereits vor Jahren eingeleitet hat: die Monetarisierung des eigenen Netzzugangs.
Das Kalkül dahinter ist einfach:
- Wert des „Eyeball-Netzwerks“: Vodafone ist ein sogenanntes „Eyeball-Netzwerk“ (Eyeball = Augapfel). Es besitzt den direkten Draht zu Millionen von zahlenden Endkunden, die Inhalte konsumieren wollen.
- Die „Mautstation“: Content-Anbieter (von Streaming-Diensten bis zu Gaming-Plattformen) sind darauf angewiesen, ihre Daten schnell und qualitativ hochwertig an diese „Eyeballs“ zu liefern.
- Die neue Realität: Bisher war der direkte Weg über Public Peering am DE-CIX quasi eine kostenlose Autobahnauffahrt. Vodafone ersetzt diese nun durch eine Mautstation, die vom Partner Inter.link betrieben wird.
Vodafone argumentiert, man wolle die Anbindungen „optimieren“. Kritiker sehen darin jedoch den klaren Versuch, für den Zugang zu den eigenen Kunden eine Gebühr zu verlangen. Kleinere Anbieter, die sich die Gebühren bei Inter.link nicht leisten wollen oder können, werden künftig ausgeschlossen.
Wer ist der neue Partner Inter.link?
Der neue exklusive Partner, Inter.link, ist ein 2020 gegründeter Berliner Netzbetreiber und Peering-Anbieter. Das Unternehmen stellt eine automatisierte Plattform bereit, über die sich andere Netzwerke Kapazitäten in das Vodafone-Netz buchen können. Inter.link agiert dabei selbst als Teilnehmer an den großen Knotenpunkten, fungiert aber für Vodafone als eine Art „Türsteher“ und Abrechnungsdienstleister.
Mögliche Folgen für das Internet und die Nutzer
Dieser Strategiewechsel ist ein weiterer Schritt weg vom „offenen“, kooperativen Geist, der die Internetknotenpunkte groß gemacht hat, hin zu einem fragmentierten „Internet der geschlossenen Gärten“.
1. Folgen für andere Netzbetreiber: Für mittlere und kleine Content-Anbieter, Cloud-Dienste oder spezialisierte Hoster bedeutet dies eine massive Veränderung. Sie haben nun zwei schlechte Optionen:
- Sie zahlen die neuen Gebühren an Inter.link, was ihre Betriebskosten erhöht.
- Sie zahlen nicht und ihr Datenverkehr muss einen längeren, teureren und langsameren Weg über sogenannte „Transit-Provider“ nehmen, um Vodafone-Kunden zu erreichen.
2. Folgen für die Netzneutralität: Die Debatte um die Netzneutralität wird neu befeuert. Zwar wird der Datenverkehr innerhalb des Vodafone-Netzes (vermutlich) neutral behandelt, doch der Zugang zum Netz wird nun klar kommerzialisiert. Es entsteht ein „Zwei-Klassen-Internet“: Wer zahlt, bekommt die schnelle, direkte Anbindung; wer nicht zahlt, muss den Umweg nehmen.
3. Folgen für Vodafone-Kunden: Vodafone-Kunden werden von dieser Umstellung kurzfristig wahrscheinlich nichts bemerken. Die Verbindungen zu den Giganten (Google, Netflix, Amazon), die den Großteil des Traffics ausmachen, bleiben über Private Peering schnell.
Das Risiko liegt jedoch im Detail: Nutzt ein Kunde einen kleineren, europäischen Cloud-Dienst, eine spezielle Gaming-Plattform oder einen Nischen-Streaming-Anbieter, der sich gegen die Zahlung an Inter.link entscheidet, könnte die Verbindung zu diesem Dienst für den Vodafone-Kunden spürbar langsamer werden (höhere Latenz/Ping).
Fazit: Effizienz-Optimierung oder digitaler Zoll?
Vodafones Rückzug vom Public Peering ist ein Paukenschlag, der die Machtverhältnisse im Internet-Backbone verschiebt. Während der Konzern den Schritt als „Optimierung“ darstellt, sehen viele Netzexperten darin den konsequenten Versuch, die eigene Marktmacht als „Eyeball-Netzwerk“ in bares Geld umzuwandeln.
Für die neutralen Internetknotenpunkte wie den DE-CIX ist dies ein Bedeutungsverlust, da ihre Rolle als offener Marktplatz von den größten Teilnehmern untergraben wird. Für das Internet insgesamt bedeutet es eine weitere Fragmentierung, bei der die Kosten für den Datenaustausch steigen und die Hürden für neue, innovative Dienste höher werden.
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