Medistar in der Arztpraxis: Warum die IT oft streikt
Für die meisten Arztpraxen ist das Praxisverwaltungssystem (PVS) das unangefochtene Herzstück des täglichen Betriebs. Hier laufen alle Fäden zusammen: Patientenakten, Terminplanung, Abrechnung und die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI). Medistar, ein Produkt der CompuGroup Medical (CGM), ist dabei einer der etabliertesten „Platzhirsche“ auf dem deutschen Markt.
Doch mit dieser zentralen Rolle geht eine massive Abhängigkeit einher – nicht nur von der Software selbst, sondern von der gesamten IT-Infrastruktur, auf der sie läuft. Viele Praxisteams erleben tägliche Frustrationen: Das System ist langsam, stürzt ab oder die TI-Anbindung versagt.
Dieser Artikel beleuchtet den kritischen Zusammenhang zwischen Medistar und der Praxis-IT, zeigt die häufigsten Probleme auf und skizziert klare Lösungswege und Alternativen für niedergelassene Ärzte.

Der unzertrennliche Zusammenhang: Medistar und die Praxis-IT
Medistar ist keine einfache „App“. Es ist ein komplexes System, das tief in die IT-Struktur der Praxis eingreift. Ein stabiler Betrieb hängt von einem perfekten Zusammenspiel mehrerer Komponenten ab:
Die Client-Server-Architektur: Medistar läuft klassischerweise „On-Premise“. Das bedeutet, in der Praxis steht ein zentraler Server, auf dem die Hauptanwendung und die (oft SQL-basierte) Datenbank liegen. Die einzelnen Arbeitsplätze (Clients) an der Anmeldung und in den Behandlungszimmern greifen permanent auf diesen Server zu.
Das Netzwerk (LAN/WLAN): Diese Verbindung zwischen Clients und Server ist die Lebensader. Ist das Netzwerk langsam, überlastet oder instabil (z. B. durch alte Kabel oder schlechtes WLAN), wird Medistar unweigerlich langsam. Jede Abfrage, jedes Öffnen einer Akte wird zur Geduldsprobe.
Die Hardware: Ein PVS wie Medistar stellt hohe Anforderungen an den Server (Rechenleistung, schnelle Festplatten – idealerweise SSDs) und die Clients. Veraltete Hardware ist eine der Hauptursachen für Performance-Probleme.
Die Peripherie: Drucker, Scanner, EKG-Geräte und vor allem die TI-Komponenten (Konnektor, Kartenterminals) müssen fehlerfrei über Treiber und Schnittstellen mit dem System kommunizieren.
Datensicherheit und Backups: Die IT muss nicht nur schnell, sondern auch sicher sein. Firewalls, Virenscanner und eine lückenlose Datensicherung sind gesetzlich (DSGVO) vorgeschrieben und technisch überlebenswichtig.
Medistar ist nur so schnell und stabil wie das schwächste Glied in dieser IT-Kette. Ein Software-Problem ist oft in Wahrheit ein Hardware- oder Netzwerk-Problem.
Die tickende Zeitbombe: Bekannte Probleme in der Praxis
Ärzte und MFAs, die täglich mit Medistar arbeiten, berichten oft von einem ähnlichen Muster an Problemen. Diese „Pain Points“ sind meist Symptome einer überforderten IT-Infrastruktur.
Problem 1: Dauerhafte Performance-Einbußen
- Das häufigste Ärgernis ist, dass Medistar „langsam“ ist. Das Öffnen von Patientenakten dauert gefühlte Ewigkeiten, das Wechseln zwischen Modulen hakt und die Abrechnungsläufe blockieren das System.
Ursache: Oft ist der Server unterdimensioniert oder die Festplatten sind zu langsam. Auch ein überlastetes Netzwerk oder eine über Jahre „zugemüllte“ Datenbank können die Ursache sein.
Problem 2: Abstürze und „Einfrieren“
- Besonders zu Stoßzeiten – morgens bei der Anmeldung oder während der Quartalsabrechnung – friert die Software ein oder stürzt komplett ab.
Ursache: Dies deutet auf Überlastung des Servers, Speicherprobleme (RAM) auf den Clients oder Konflikte mit anderer Software (z. B. Virenscanner, Windows-Updates) hin.
Problem 3: Das Update-Chaos
- Updates von Medistar oder der TI sind gefürchtet. Ein bekanntes Szenario: Nach einem Update funktioniert plötzlich die Anbindung an den Konnektor nicht mehr, e-Rezepte können nicht signiert werden oder Kartenterminals fallen aus.
Ursache: Updates sind extrem komplex. Sie müssen mit dem Betriebssystem (Windows), den Treibern der TI-Hardware und der Medistar-Version kompatibel sein. Hier entstehen schnell Schnittstellenkonflikte.
Problem 4: Die TI-Anbindung als Sorgenkind
- Die Telematikinfrastruktur ist eine zusätzliche, fehleranfällige IT-Schicht. Fällt der Konnektor aus, die Verbindung zum VPN-Zugangsdienst bricht ab oder eine eGk wird nicht gelesen, steht die Praxis still. Medistar zeigt oft nur eine unspezifische Fehlermeldung, obwohl das Problem beim Konnektor oder der Internetleitung liegt.
Problem 5: Die Support-Odyssee
- Meldet die Praxis ein Problem, beginnt oft das „Schwarzer-Peter-Spiel“. Der Medistar-Support (CGM) verweist auf den lokalen IT-Dienstleister, da es ein Netzwerk- oder Hardwareproblem sei. Der IT-Dienstleister verweist zurück an CGM, da es ein Software-Problem sei. Der Leidtragende ist der Arzt.
Ursache: Viele Praxen haben keinen IT-Partner, der sowohl Netzwerk-Expertise als auch tiefes PVS- und TI-Verständnis besitzt.
Auswege und Alternativen: Was Ärzte jetzt tun können
Wenn Medistar zur täglichen Belastung wird, gibt es zwei grundlegende Strategien: das bestehende System optimieren oder das System wechseln.
Option 1: Optimierung des Bestehenden (Den „Motor“ tunen)
Bevor man das PVS wechselt, sollte die IT-Basis auf den Prüfstand. Oft lässt sich mit gezielten Investitionen die Performance drastisch verbessern.
- Externes IT-Audit: Lassen Sie einen unabhängigen, auf Arztpraxen spezialisierten IT-Dienstleister Ihre gesamte Infrastruktur prüfen.
- Hardware-Upgrade: Der Austausch eines alten Servers gegen ein modernes Gerät mit Server-Betriebssystem und SSD-Festplatten wirkt oft Wunder. Auch die Client-PCs sollten nicht älter als 4-5 Jahre sein.
- Netzwerk-Sanierung: Veraltete „Switches“ (Netzwerkverteiler) austauschen und die Verkabelung prüfen. Wo immer möglich, auf stabile LAN-Kabel (Cat.6 oder Cat.7) statt auf WLAN setzen.
- Den richtigen IT-Partner finden: Der wichtigste Schritt. Suchen Sie einen IT-Dienstleister, der als „Medistar-Partner“ oder „CGM-Partner“ zertifiziert ist oder nachweislich Erfahrung mit Medistar und der TI-Anbindung hat. Er muss die gesamte Kette (Hardware, Netzwerk, PVS, TI) betreuen können.
Option 2: Der Wechsel des PVS (Die „System-Alternative“)
Wenn die Optimierung nicht fruchtet oder die Unzufriedenheit mit der Software-Ergonomie, den Update-Zyklen oder den hohen Support-Kosten überwiegt, ist ein Wechsel eine Option. Dies ist ein Großprojekt (Datenmigration, Schulung), muss aber kein Tabu sein.
Der Markt bietet zwei Hauptalternativen zur klassischen On-Premise-Welt von Medistar:
A. Moderne On-Premise-Konkurrenten
- Es gibt andere etablierte PVS-Systeme, die ebenfalls auf einem lokalen Server laufen, aber oft als moderner, schlanker oder supportfreundlicher gelten.
- Bekannte Beispiele: T2med, ALBIS, x.concept, S3.
Vorteil: Das Grundprinzip (Datenhoheit in der Praxis) bleibt gleich.
Nachteil: Die Abhängigkeit von einer stabilen lokalen IT-Hardware und einem guten Netzwerk bleibt identisch.
B. Die Cloud-Revolution (Web-basierte PVS)
Die größte strategische Alternative ist der Umstieg auf ein reines Cloud-PVS. Hier läuft die Software nicht mehr auf einem Server in Ihrer Praxis, sondern in einem externen, hochsicheren Rechenzentrum in Deutschland.
- Bekannte Beispiele: Tomesŏ, Arzt-direkt, Elaphe, Red Medical.
- Wie es funktioniert: Die Praxis benötigt nur noch einfache PCs (oder sogar Tablets) und eine sehr stabile, schnelle Internetleitung. Updates, Wartung und Backups übernimmt der Anbieter.
Vorteile:
- Keine Server-Hardware: Enorme Kosten- und Wartungsersparnis.
- Flexibilität: Zugriff von überall möglich (Homeoffice, Hausbesuch).
- Moderne Oberflächen: Oft intuitiver und benutzerfreundlicher.
- Automatische Updates: Sie arbeiten immer mit der neusten Version.
Nachteile:
- Internet-Abhängigkeit: Fällt das Internet aus, steht die Praxis (obwohl viele Cloud-Systeme Offline-Modi anbieten). Eine redundante Leitung (z. B. über LTE/5G) ist Pflicht.
- Datenschutz: Die Patientendaten liegen „außer Haus“. Man muss dem Anbieter und seinen Zertifizierungen (ISO 27001, KBV-Zulassung) voll vertrauen.
- Monatliche Kosten: Statt großer Einmalinvestitionen fallen laufende Mietgebühren (SaaS – Software as a Service) an.
Fazit: Software ist nur die halbe Miete
Die Frustration über Medistar ist oft eine Frustration über eine veraltete oder schlecht betreute IT-Infrastruktur. Ein PVS ist kein Selbstläufer; es ist ein Hochleistungssystem, das ein stabiles Fundament benötigt.
Ärzte müssen heute mehr denn je auch IT-Manager sein. Der erste Schritt zur Besserung ist eine ehrliche Analyse: Liegt es an der Software selbst oder an der Hardware und dem Netzwerk, auf dem sie laufen muss?
Egal ob Sie Medistar optimieren oder auf eine moderne Cloud-Alternative umsteigen: Die Investition in eine robuste IT-Basis und einen kompetenten IT-Partner, der die Sprache der Medizin versteht, ist die zwingende Voraussetzung für einen reibungslosen Praxisalltag im digitalen Zeitalter.
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